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Eröffnungsrede der Ausstellung Juschi Bannaski am 13. Februar in der Galerie Hoeppner-Haas, Essen, von Dr. Jürgen Wittstock

Mit einem Geständnis muss ich beginnen: Beim ersten Durchsehen des schönen Katalogs, der anlässlich dieser Ausstellung erschienen ist, habe ich - Juschi Bannaski möge es mir verzeihen - zunächst an Hans Hoeppner gedacht. Nicht, dass ich meine, Hans selbst hätte die Bilder gemalt oder auch nur inspiriert. Aber ein Galerist wie Hans Hoeppner hat auch ein künstlerisches Profil, ein Profil, das sich in der Auswahl der Künstler äußert, die er vertritt.
Ich muss hier dazufügen, dass ich Hans Hoeppner seit 18 Jahren kenne. Hans hatte in einer Zeit des Interregnums am Marburger Universitätsmuseum eine Ausstellung des in Zagreb lebenden Bosniers Mersad Berber für Marburg zusammengestellt. Sie wurde am 12. Oktober 1986 eröffnet, keine 14 Tage, nachdem ich meine Arbeit in Marburg aufgenommen hatte. Beim Abbau dieser Ausstellung sah Hans im Museum einen meiner ersten Ankäufe, ein Bild des jungen Marburger Malers Harald Häuser, dem er aufgrüne dieser Begegnung seine Frankfurter Galerie öffnete - ein Glücks fall für den Künstler, der sich vor diesem Hintergrund ganz und gar auf seine Malerei konzentrieren konnte, sicher eine der Voraussetzungen seines Erfolgs. In der Folgezeit hatte ich dann mehrfach Gelegenheit, Ausstellungen Hoeppners in seiner Frankfurter, später auch Essener Galerie zu eröffnen, nicht zu vergessen Hamburg/ wo Hans viele Jahre eine Galerie am Rothenbaum betrieben hat.
Dabei habe ich viele Künstler kennen gelernt, die für Hans Hoeppner wichtig waren und sind, oder, von der anderen Seite her gesehen, für die Hans als Galerist, Förderer und Freund wichtig war und ist: Der schon genannte Mersad Berber mit seine virtuos beherrschten Technik des Zitierens kunsthistorischer Topoi, eine Art surrealistischer Postmoderne, verspielt und melancholisch. Oder ich denke an den Karlsruher Gerhard Sauter, ein abstrakter Maler, ein Meister der intensiven und dennoch harmonischen Farbkultur. Und ich denke an den leider viel zu früh verstorbenen Japaner Yoshi Takahashi, dessen imaginäre Bildwelten voller delikater Farberlebnisse und Andeutungen von Dinglichkeiten wie sichtbar gewordene Musik erscheinen.

Ich habe jetzt von einigen Malern des Galeristen Hans Hoeppner gesprochen, aber beileibe nicht von allen Künstlern, die er in seiner Galerie vertritt, und ich habe vor allem noch nicht von Juschi Bannaski gesprochen. Aber es gibt Gemeinsamkeiten oder wenigstens doch Verbindungen zwischen ihnen allen, vor allem die Ausdruckskraft der Farben, die Phantasie der Formen, eine Offenheit gegenüber dem Betrachter - und das ist doch sicher kein Zufall.

Aber konzentrieren wir uns jetzt auf die Malerei von Juschi Bannaski. Ich möchte versuchen, einige Hinweise auf Phänomene ihrer Kunst zu geben, wohl wissend, dass Bildende Kunst in ihrem Kern nicht verbalisierbar ist, sondern ein Dialog zwischen Künstler und Betrachter über das Sinnesorgan des Auges.

Das erste, was an den Bildern von Juschi Bannaski auffällt, sind die sehr unterschiedlichen Größen. Es gibt Maler, die große Leinwände brauchen, und bei denen alle Versuche, sich im kleinen Format auszudrücken, in der künstlerischen Katastrophe enden. "Alles noch mal von vorne, aber alles kleiner", hat Dieter Krieg einmal am Vorabend einer Ausstellungseröffnung beim Blick auf seine Bilder geäußert; ein frommer Wunsch, denn wie kann eine Malerei, die so expressiv aus der Körperbewegung heraus entsteht, sich überhaupt im kleinen Format gestalten? Aber auch die monochrome Malerei bracht meines Erachtens die große Fläche, wirkt nur im großen Format, gewissermaßen nur als Wand und nicht als Einband.

Umgekehrt gibt es auch Maler, die das intime Kleinformat für ihren künstlerischen Ausdruck brauchen. Jawlensky war an das Ikonenformat gebunden, als Erinnerung an das religiöse Element in seiner Kunst. Und eine Kunst, die von der subtilen Zeichnung her lebt, kann sich nun einmal nicht im großen Format darstellen. Oder denken wir an Julias Bissier oder Werner Gilles, die mit ihrer Bildlyrik auf das kleine Format angewiesen waren, und einem Ernst Wilhelm Nay hätte man es gewünscht, dass er - und das meine ich ganz wörtlich - im kleinen Rahmen geblieben wäre.
Juschi Bannaski dagegen beherrscht alle Formate. Am liebsten wählt sie das mittlere Format/ aber die Ausflüge in die Miniatur wie in das Großformat übersteht ihre Kunst ohne Schaden. Sie können das hier in der Ausstellung am besten beurteilen, aber auch wenn sie den Katalog auf der Doppelseite 36 und 37 aufschlagen. Da haben die mutigen Herausgeber ein Bildchen von nur 15 x 11 cm einem Gemälde von immerhin 1,20 x 1,50 m gegenübergestellt - übrigens sei Hans und Marc Hoeppner dafür gedankt, dass sie diese Unterschiede im Format der Bilder durch die Größe der Abbildungen angedeutet haben, auch wenn dies natürlich nicht maßstäblich ausfallen konnte.

Weshalb aber gelingt es der Malerin, sich in so unterschiedlichen Formaten zu bewegen? Ich glaube, weil sie ihre Bilder sorgfältig strukturiert, die Bildfläche in einzelne Bildzonen unterteilt, die in der Regel farbig, manchmal nur in Nuancen, manchmal in Kontrasten voneinander abgesetzt sind. Dadurch wird alles andere, was an malerischen oder zeichnerischen Hinfallen auf dem Papier oder der Leinwand erscheint, in eine Grundordnung gebracht, die jedem Werk zunächst einmal einen festen, inneren Halt gibt, ohne wie ein aufgelegtes Raster zu erscheinen. Diese Bildordnung gilt für die großen wie für die kleinen Formate und gleicht durch ihre innere Ordnung die äußeren Formate an, gewiss eine Art von optischer Täuschung, vor allem aber ein Beweis der künstlerischen Schaffenskraft.
Dabei sind diese Bildzonen immer schon in sich selbst variiert, manchmal nur farbig differenziert, manchmal aber auch durch Muster dekoriert. Vorgeprägte Elemente werden eingebaut, Strukturen eines ausgerissenen Blattes aus einem Zeichenblock oder Lochkanten, aber vor allem sind es malerische Motive, Verdichtungen der Farbe, Übermalungen, eingezeichnete - Erst beim näheren Hinsehen wird erkennbar, dass die Fläche des Bildes in einer Collage-Technik gearbeitet ist, die einzelnen Zonen also tatsächlich Einzelelemente sind oder jedenfalls sein können, wenn man so will eigenständige kleine Bilder innerhalb des Ganzen, wie einzelne Episoden eines Romans. Aber sie sind kunstvoll zusammengefügt, möglicherweise sogar in mehreren Schichten, die sich teilweise verdecken, überlappen, man möchte wieder an einen Roman denken, in dem sich einzelne Ereignisse aufeinander beziehen, miteinander verwoben sind in der Art einer Schicksal s Symphonie.

In dieses feste malerische Gefüge sind grafische Zeichen eingebaut/ Erinnerungen, Zitate aus der Dingwelt. Das können Pflanzen sein, auf einem Bild eindeutig als Rosen zu identifizieren, und wie aus einem Poesiealbum entnommen. Vor allem aber sind es menschliche Figuren bzw. Teile von Figuren, Körperglieder, etwa ein Kopf, eine Hand, Füße oder auch ein Torso. Als ganze Figuren sehen wir Schreitende, Springende, eine Ballerina, oder auch Fechtende. Diese Darstellungen sind meist nur Andeutungen, sie entziehen sich uns wieder, wenn wir sie dinghaft machen wollen, und wo wir sie einmal fassen können, da müssen wir uns fragen, was sie eigentlich in diesem Zusammenhang bedeuten sollen.

In früheren Werken ist die Künstlerin eindeutiger gewesen, etwa in Bildern, in denen geometrische Grundformen, wie Viereck, Dreieck oder Kreis aufeinander bezogen sind. Ein Viereck mit aufgesetztem Dreieck kann als Haus verstanden werden, dabei das Viereck selbst als Kasten oder Käfig, das Dreieck als Schöpfunskraft, wozu dann noch der Kreis als Symbol des Beweglichen im Gegensatz zur Statik des Hauses kommt; so hat Ingrid Zimmermann in ihrem geistvollen Kommentar im Bannaski-Katalog von 1996 vorgeschlagen.

Die Zeichen der neueren Bilder sind vielschichtiger und direkte zugleich. Die Andeutungen menschlicher Körper, erst recht aber die Darstellung von Köpfen, von Gesichtern mit emotionaler Bewegtheit, provozieren geradezu die Suche nach psychologischer Deutung, die Frage nach menschlicher Betroffenheit, die in den Werken mitgestaltet, die in sie eingewoben ist. Ob diese Suche zu einem Ergebnis führen kann, halte ich zwar für zweifelhaft, aber entscheidend scheint mir zu sein, dass sie überhaupt sich aufdrängt, dass sie überhaupt möglich ist. Durch diese provozierte Suche öffnen sich die Bilder von Juschi Bannaski auf den Betrachter, dem sie nicht nur als ästhetischer Komplex gegenüberstehen, sondern auch als Erlebnis, in dem er sich möglicher Weise selbst wieder findet.
Abschließend noch ein Wort zur Farbe. Ich hätte damit auch beginnen können, denn die exquisite Farbigkeit der Bilder Juschi Bannaskis ist vielleicht das erste, was sich unserem Auge mitteilt, und allein die Variationen von Rot können ausreichen, eines ihrer Gemälde zu lieben. Der Grundton der Farben ist zumeist tief, aber leuchtend, kraftvoll, aber transparent. Man darf vielleicht an die mittelalterlichen Glasmalereien denken, die zwar vordergründig Geschichten erzählen, die aber in der Lichtsymbolik des Mittelalters immer auch die Ambivalenz zwischen von äußerem und innerem Licht, von irdischem und göttlichem Licht andeutet, das Durchdringen von Licht unterschiedlicher Herkunft. Solche transparenten Farbräume, wie wir sie auch aus der monochromen Malerei etwa eines Ed Reinhardt kennen, lassen Farbe zum Symbol werden, erinnern an die sakrale Bedeutung von Licht.

Man muss soweit bei den Bildern von Juschi Bannaski nicht gehen. Aber sie erreicht in ihrem Farbklängen, den Farbmodulationen und den Farbkontrasten doch immer wieder, dass ihre Bildwelt aus dem Bereich des Wörtlichen in den Bereich des Symbolischen transformiert wird. Johano Strasser hat dieses Phänomen als allgemeines Phänomen der Bildenden Kunst, aber speziell doch wohl auf die Werke von Juschi Bannaski gemünzt, in seinem Essay "Das Atelier" - den Sie im Katalog dieser Ausstellung nachlesen können, mit dem schönen Satz beschrieben: "Merkwürdige Zwitterwesen sind diese Bilder, halb Materie, halb Geist."

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen an und mit der Malerei von Juschi Bannaski.

Dr. Jürgen Wittstock